01.09.2023 & 02.09.2023, Kunsthochschule Mainz (Am Taubertsberg 6, 55122 Mainz)
Zielgruppe
Masterstudierende, Doktorand:innen, Post-Docs und Künstler:innen aus dem germanophonen und frankophonen Raum
Inhalt
Die Darstellung des menschlichen Organischen in Literatur, Kunst und Film des 21. Jahrhunderts weist vor dem gesellschaftlichen Hintergrund der beschleunigten Globalisierung und Digitalisierung Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zur modernen Epoche auf. Das Organische und dessen Bedeutungsräume sowie diesbezügliche künstlerische Repräsentationen haben in den letzten hundert Jahren angesichts neuer Technologien und gesellschaftlicher Praktiken Wandlungen erlebt – man denke z. B. an die Semantiken der Geschlechtlichkeit bestimmter Körper-Teilen, oder auch die Infiltrierung organischer menschlicher und nicht-menschlicher Kreisläufe durch Mikroplastik oder Psychopharmaka. In diesem Kontext lohnt sich nicht nur in den Natur-, sondern auch in den Geisteswissenschaften der Blick auf ‚das Kleine‘, welcher den Körper als Ganzheit aus dem Fokus nimmt, und stattdessen seine einzelnen Komponenten und Mikro-Zusammenhänge beleuchtet. Zudem scheinen neben medizinischen auch neue mediale Technologien, virtuelle Plattformen und deren mediale Formate, die sich vor allem auf „Kleine Formen“ (Vogl et. Al. 2021) wie Tweets, sogenannte photo dumps, GIFs u. Ä. stützen, aktuelle Körper-Bilder entscheidend mitzukonstituieren. Nimmt man entgegen häufigen Prognosen an, dass die Ausbreitung virtueller Räume nicht mit einer Entkörperlichung einhergeht, sondern Materielles und Immaterielles (Lyotard 1985) zusammenwirken und sich gegenseitig bedingen, eröffnet dies neue spannungsreiche Reflexionsräume für die Literatur-, Kunst- und Filmwissenschaft des 21. Jahrhunderts.
Problemstellung
Insbesondere organische Mikroformen, das heißt auch mit dem bloßen Auge nicht erkennbare Körper-Welten wie Bakterien, Hormone und Viren und Mikropartikel sowie deren ästhetische Sichtbarmachung rücken in zahlreichen literarischen, filmischen und künstlerischen Repräsentationen der Gegenwart in den Blick. Die zentralen Fragen hierbei sind: Welche ästhetischen Mittel werden gewählt, um Mikroformen des Organischen darzustellen? In welchem Verhältnis stehen dabei menschliche mit nicht- menschlichen Organismen und Maschinellem – bzw. was können gerade MikroEbenen über Begriffe wie ‚Kultur‘ und ‚Natur‘ aussagen? Wie bedingen sich Diskurse aus der (Natur-)Wissenschaft und künstlerischer Verarbeitung gegenseitig? Ein prägnantes aktuelles Beispiel bildet der Film De Humani Corporis Fabrica (2023) von Lucien Castaing-Taylor und Verena Paravel, der durch den Blick westlicher Medizin das Innere des Körpers nach außen kehrt. Auch in der Gegenwartsliteratur findet man gehäuft Darstellungen von Mikroformen des Organischen, zum Beispiel bei Autor:innen wie Marie Darrieussecq, Virginie Despentes, Maggie Nelson, Paul B. Preciado oder Olga Tokarzcuk. Hormone wie Serotonin oder Oxytocin, Bakterien, Eizellen, Spermien oder auch Fremdkörper wie Mikroplastik spielen darin mehr oder weniger prominente Rollen und evozieren lebendige molekulare Mikrolandschaften vielmehr als einzelne Teile des Körpers. In der zeitgenössischen Kunst lässt sich diesbezüglich die Auseinandersetzung mit verschiedenen Sinnen (u. a. Geruchskunst) beobachten, wobei normalerweise im Verborgenen liegende Prozesse wahrnehmbar werden und sich gewohnte Größenordnungen verschieben: Man denke zum Beispiel an die multimedialen und multisensorischen Arbeiten von Pamela Rosenkranz, Chiharu Shiota oder Anicka Yi.
Die interdisziplinäre deutsch-französische Junior-Tagung KÖRPER-TEILE: Mikroformen des Organischen in Literatur, Kunst und Film stellt die Entwicklung von medienspezifischen Ästhetiken und Semantiken des Organischen als Kleinform von der Moderne bis zur Gegenwart in den Mittelpunkt. Vor allem neomaterialistische Theorien bzw. ‚Theorie-Hybride‘ der letzten Jahrzehnte haben mit Konzepten der Transkorporalität (Alaimo 2010), der Plastizität (Malabou 2000, 1994), des Cyborgs (Haraway 1991) und des Posthumanen (Braidotti 2013, Hayles 1999) das aktuelle Verständnis von Körperlichkeit entscheidend geprägt. Formen des Organischen sind dabei nie als reine Natürlichkeit zu verstehen, sondern
sind immer schon und gerade im 21. Jahrhundert techno-bio-politische Hybride (vgl. z. B. Haraway 1991, Preciado 2008).
TAGUNGSPROGRAMM | PROGRAMME DU COLLOQUE | |
Freitag / Vendredi, 01.09.2023 | |
Ab 13.30 | Ankunft / arrivée |
13.45-14.15 | Begrüßung / mots de bienvenue |
Vanessa Franke M.A. | |
Université Paris 8 / Bauhaus-Universität Weimar | |
Larissa Frömel M.Ed., M.A. | |
JGU Mainz / Kunsthochschule Mainz | |
David Johannes Braun M.A. | |
Gutenberg Graduate School of the Humanities and Social Sciences (GSHS) | |
Dr. Martin Henatsch | |
Rektor der Kunsthochschule Mainz | |
Queerungen: Gewebe und Text | Queering : textures et textes | |
14.15-15.00 | Maria Isern Ordeig M.A. |
Universitat de Barcelona / Université Paris 8 | |
Corps sexués, sexualité moléculaire et nouvelle grammaire de la pénétrabilité | |
15.00-15.45 | Waldemar Isak M.A. |
Humboldt-Universität zu Berlin | |
Der Muskel als Form. Erkundungen in Kunst, Essayistik und Queerer Theorie | |
15.45-16.15 | Kaffeepause / pause café |
Flächige Organizität. Haut/Bilder in der zeitgenössischen Kunst | Organicité plane. Peau/images dans l‘art contemporain | |
16.15-16.30 | Charlotte Bolwin M.A. |
Bauhaus-Universität Weimar | |
Dialektische Bilder: Ambivalente Potenziale fotografischer Hochauflösung des Körpers am Beispiel von Seth Prices Serie „Danny, Mila, Hannah, Ariana, Bob, Brad“ | |
16.30-16.45 | Max Walther M.A. |
Bauhaus-Universität Weimar | |
Abbilder dritter Haut. Produktion – Aktualisierung – Seperation. Carla Accardis‘ Triplice Tenda | |
16.45-17.00 | Shirin Weigelt M.A. |
Bauhaus-Universität Weimar | |
Der Verwesung anheimgeben oder Verwesendem ein Heim geben? Kritischer Vitalismus in Zoe Leonards Strange Fruit | |
17.00-17.30 | Diskussion / discussion |
17.30-18.00 | Pause / pause |
Verschiebungen I: Identität und Partikularität | Faire bouger I : identité et particularité | |
18.00-19.00 | Selina Hammer, Aaron Nora Kappenberger |
Kunsthochschule Mainz | |
Nadine Wagner Dipl. | |
Hochschule für Gestaltung Offenbach | |
Performance MOONSTROUS GAZE + Anschlussdiskussion / + discussion | |
Gemeinsames Abendessen / dîner | |
Samstag / Samedi, 02.09.2023 | |
9.45-10.00 |
Begrüßung / arrivée |
Relektüren: Fluide Perspektiven | Relire : perspectives fluides |
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10.00-10.45 |
Marie-Aline Klinger M.A. |
Humboldt-Universität zu Berlin |
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Performance-Lecture: Menotoxin. Versuch einer anderen Geschichte |
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10.45-11.30 | Hanna Hadjadj M.A. |
Université Paris 8 | |
Faire la rencontre d‘œuvres d‘art dans un corps drogué : une nouvelle intermédialité? | |
11.30-12.00 | Kaffeepause / pause café |
Repräsentationen: Organizität und Technologie | Répresenter : organicité et technologies | |
12.00-12.45 | Nourhene Ghazel M.A. (online) |
Institut Supérieur des Beaux-Arts de Sousse | |
Représentation du corps à l‘épreuve du scanner à plat : du surfacique au microscopique | |
12.45-13.30 | Dr. Imen El-Bedoui |
University of Jendouba | |
The body revisited: between biotechnology and nanotechnology, between aesthetic and ethics | |
13.30-14.45 | Mittagspause / déjeuner |
Verschiebungen II: Innen und Außen | Faire bouger II : intérieur et extérieur | |
14.45-15.30 | Dr. Céline Gauthier |
Université Côte d‘Azur | |
Atelier: L‘organicité comme dynamique narrativ des récits de danseurs | |
15.30-16.15 | Abschlussdiskussion / discussion finale |
Moderation / présentation | |
Larissa Frömel + Vanessa Franke | |
Verabschiedung / départ |